Bibelauslegung

 

0. Vorbemerkung

Irrlehren sind kennzeichnend für unsere heutige Zeit. Es kann niemand behaupten, annähernd einen Übersicht geschweigen denn einen Durchblick über die vielen Gemeinden, Kirchen, Sekten und Grüppchen zu haben. Ich hatte mit vielen Glaubensgemeinschaften, Randgruppen und Sekten persönlich vielen Kontakt. Seien es Adventisten, Charismatiker, Branham-Nachfolger oder auch christlich-esoterische Gruppen gewesen. Auch innerhalb der Freikirchen gibt es große Meinungsunterschiede in Sachen Wiederkunft Christi, Frauenordination, Geistesgaben, Abendmahl usw. Wehe dem, der da an falscher Stelle eine unpassende Meinung äußert.

Mich haben diese Erfahrungen und das Studium der Schriften verschiedener Persönlichkeiten dazu gebracht, eingehend die Methodik der Lehrbildung zu studieren: worin liegen die Auslegungsunterschiede, warum werden verschiedene Stellen herangezogen, andere verworfen usw.

Das Ergebnis dieser Studien ist dieser Aufsatz. Für Anregungen und Kritik wäre ich sehr dankbar, da ich keineswegs von mir behaupte, alles allein korrekt zu verstehen. Diese Grundsätze stellen aber eine gute Basis dar, im Gespräch über Lehrunterschiede Gräben zu überwinden, Fehlinterpretationen klarer offen zu legen und letztlich auch ein Stück Einheit unter Christen herzustellen.

 

1. Einführung

In 2. Tim. 3, 1-9 warnt Paulus seinen Nachfolger:

2Tim 3,1           Das aber sollst du wissen, daß in den letzten Tagen schwere Zeiten eintreten werden.

2Tim 3,2           Denn die Menschen werden selbstsüchtig sein, geldgierig, prahlerisch, hochmütig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, gottlos,

2Tim 3,3           lieblos, unversöhnlich, verleumderisch, unenthaltsam, zuchtlos, dem Guten feind,

2Tim 3,4           treulos, leichtsinnig, aufgeblasen, das Vergnügen mehr liebend als Gott;

2Tim 3,5           dabei haben sie den Schein von Gottseligkeit, deren Kraft aber verleugnen sie. Solche meide!

2Tim 3,6           Denn zu diesen gehören die, welche sich in die Häuser einschleichen und Weiblein gefangennehmen, die mit Sünden beladen sind und von mancherlei Lüsten umgetrieben werden,

2Tim 3,7           immerdar lernen und doch nie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen können.

2Tim 3,8           Gleicherweise aber, wie Jannes und Jambres dem Mose widerstanden, so widerstehen auch diese der Wahrheit; es sind Menschen zerrütteten Sinnes, untüchtig zum Glauben.

2Tim 3,9           Aber sie werden es nicht mehr viel weiter bringen; denn ihre Torheit wird jedermann offenbar werden, wie es auch bei jenen der Fall war.

Zentral sind die Aussagen, dass das Auftreten von Irrlehren und Irrlehrern kennzeichnend für die letzten Tage vor der Wiederkunft Christi sind. Bezüglich dem Thema Bibelauslegung ist die Aussage, dass auch diejenigen, die Irrlehren verbreiten „immerdar lernen und doch nie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“

Auch Johannes schreibt:

 

1Jo 2,9              Wer da sagt, daß er im Lichte sei, und [doch] seinen Bruder haßt, der ist noch immer in der Finsternis.

 

und weist darauf hin, dass viele Irrlehrer und Verführer ihren Anfang in der Gemeinde nahmen.

Das Auftreten von Irrlehren, Irrlehrern ist also als normal und unvermeidlich anzusehen. Dagegen anzukämpfen gleich den Jüngern im Gleichnis

Mt 13,24           Er legte ihnen ein anderes Gleichnis vor und sprach: Das Himmelreich ist gleich einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte.

Mt 13,25           Da aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon.

Mt 13,26           Da nun das Kraut wuchs und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut.

Mt 13,27           Da traten die Knechte zu dem Hausvater und sprachen: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät ? Woher hat er denn das Unkraut?

Mt 13,28           Er sprach zu ihnen: Das hat der Feind getan. Da sagten die Knechte: Willst du das wir hingehen und es ausjäten ?

Mt 13,29           Er sprach: Nein! auf daß ihr nicht zugleich den Weizen mit ausraufet, so ihr das Unkraut ausjätet.

Mt 13,30           Lasset beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um der Ernte Zeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuvor das Unkraut und bindet es in Bündlein, daß man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheuer.

 

Wenn also das Auftreten von Irrlehren der Normalzustand ist, wenn selbst von Jesus Christus klar bezeugt ist, dass der Teufel mitten in die gute Saat seine Saat geworfen hat, wie ist damit in der Gemeinde umzugehen?  Paulus nahm im Korintherbrief hierzu Stellung:

 

1Kor 1,10         Ich ermahne euch aber, liebe Brüder, durch den Namen unsers HERRN Jesu Christi, daß ihr allzumal einerlei Rede führt und lasset nicht Spaltungen unter euch sein, sondern haltet fest aneinander in einem Sinne und in einerlei Meinung.

1Kor 1,11         Denn es ist vor mich gekommen, liebe Brüder, durch die aus Chloes Gesinde von euch, daß Zank unter euch sei.

1Kor 1,12         Ich sage aber davon, daß unter euch einer spricht: Ich bin paulisch, der andere: Ich bin apollisch, der dritte: Ich bin kephisch, der vierte; Ich bin christisch.

1Kor 1,13         Wie? Ist Christus nun zertrennt ? Ist denn Paulus für euch gekreuzigt ? Oder seid ihr auf des Paulus Namen getauft ?

Zusammengefasst sagt er:

v  Spaltung ist ein Kennzeichen für Abirren von der wahren Lehre

v  Spaltung ist nicht im Sinne Gotte

v  Spaltung ist aber auch nach Kap. 11,19 ein Zeichen, daß noch echter Glaube da ist

v  Paulus setzt eine einzig gültige Wahrheit voraus, (vgl. Apg. 2,42 ua.)

 

Paulus hätte an unserer heutigen Gemeindesituation seine wahre Freude. Es gibt unzählig viele Kirchen, Gemeinden mit teils gravierende Glaubensunterschieden, Sekten und Sonderlehren im Übermaß. Betrachtet man die Entwicklung vieler dieser Gruppen, sind sie häufig aus dem Wirken einzelner Personen entstanden, Personen, die durch ihre Autorität und Wirken, Lehrmeinungen festschrieben, die von den Nachfolgern als bindend übernommen wurden. Häufig fällt auf, dass hier oftmals die Bibel zugunsten der Lehrinterpretationen zurücktreten muss.

 

Ein von vielen nicht erkanntes Problem ist, dass mit dem Pluralismus der Gemeinden auch die Verbindlichkeit der Bibel fällt. Aussagen wie:

 

Apg 2,42           Sie blieben aber beständig in der Apostel Lehre und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.

Eph 4,4             ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid auf einerlei Hoffnung eurer Berufung;

Eph 4,5             ein HERR, ein Glaube, eine Taufe;

Eph 4,6             ein Gott und Vater unser aller, der da ist über euch allen und durch euch alle und in euch allen.

 

können angesichts der vielen Meinungen und Lehren nicht zutreffen. Entweder ist die Bibel zu relativieren oder die Mehrzahl der Lehren sind falsch. Dann ist zu fragen, wie aus der Bibel die richtigen Lehren abgeleitet werden können. Welche Kriterien wir für unsere Bibelauslegung anwenden?

 

Sind überhaupt Auslegungskriterien vorhanden, nach denen man zu verbindlichen Schlüssen kommen kann? An welchen Kriterien kann ich eine falsche Auslegung, eine Irrlehre erkennen? Wie ist die Bibel zu handhaben, wortwörtlich - sinngemäß - Verbalinspriration - oder die Niederschrift von Menschen, die ihre Erfahrung mit Gott mitteilen?

 

2. Grundlagen der Bibelauslegung

2.1 Die Grundlage:        Die Bibel

 

In der Theologie der Hochschulen ist es verbrämt, Aussagen verschiedener Bücher gleichwertig nebeneinander zu stellen, z.B. Paulus und Jakobus kommentarlos nebeneinander zu stellen, da beide unterschiedliche Theologien vertreten. Grundlage der modernen Theologie ist die historisch-kritische Methode, die genaugenommen die Bibel als menschliches Wort darstellt und die Inspiration (Eingabe des Wortes Gottes an die Schreiber der Bibel) ablehnt.

Ich selbst halte –dies ist eine Glaubensüberzeugung, weniger eine 100% nachweisbare Tatsache- die Bibel für inspiriert. Ich glaube, dass die Bibel 100% Wort Gottes ist. Dies entspricht auch dem Selbstzeugnis der Bibel:

 

Wer schrieb die Bibel?                                                 => Menschen

Warum schreiben diese Menschen?                     => beauftragt durch Gott (vgl. 2.

Petr.1,19)

Was schrieben diese Menschen?                           => Erlebnisse, Offenbarungen

                                                                                                    Anweisungen, Geschichtliches

Die Bibel bezeugt selbst:

Mt 5,18             Denn ich sage euch wahrlich: Bis daß Himmel und Erde zergehe, wird nicht zergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüttel vom Gesetz, bis daß es alles geschehe.

Offb 22,18        Ich bezeuge allen, die da hören die Worte der Weissagung in diesem Buch: So jemand dazusetzt, so wird Gott zusetzen auf ihn die Plagen, die in diesem Buch geschrieben stehen.

 

Aus diesem Selbstzeugnis der Bibel folgt: Sie ist 100% Wort Gottes und unfehlbar, da es aus Gottes Geist direkt entstammt. Die Bibel ist wortwörtlich zu nehmen.

 

Gewichtige Einwände sind aber folgende Stellen:

                               Pred. 1,5 Erde bleibt ewiglich                    2. Petr. 3.12ff Erde vergeht

                               Ps. 6,6  Tote sind ohne Bewußtsein        Off. 6,9ff  Tote schreien

 

Die Stelle in Prediger bildet die Grundlage dafür, dass die Zeugen Jehova glauben, dass Gott die Erde ewig bestehen lässt. Die Stelle aus Psalm 6 führen die Adventisten an, um zu beweisen, dass wer tot ist, faktisch nicht mehr existiert, nur noch im Gedächtnis Gottes existiert. Daraus folgend wird bestritten, dass es eine ewige Verdammnis gibt. Gott vergißt einfach die Menschen, die ihn nicht annehmen und somit sind sie nicht mehr vorhanden.

 

Man kann hier noch weitere Stellen aus dem Alten und Neuen Testament anführen, die widersprüchlich sind :

Mt 20,20           Da trat zu ihm die Mutter der Kinder des Zebedäus mit ihren Söhnen, fiel vor ihm nieder und bat etwas von ihm.

 

Mk 10,35          Da gingen zu ihm Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, und sprachen: Meister, wir wollen, daß du uns tuest, was wir dich bitten werden.

Mk 10,36          Er sprach zu ihnen: Was wollt ihr, daß ich euch tue ?

Mk 10,37          Sie sprachen zu ihm: Gib uns, daß wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit.

 

Mt 8,5               Da aber Jesus einging zu Kapernaum, trat ein Hauptmann zu ihm, der bat ihn

Lk 7,6               Jesus aber ging mit ihnen hin. Da sie aber nun nicht ferne von dem Hause waren, sandte der Hauptmann Freunde zu ihm und ließ ihm sagen: Ach HERR, bemühe dich nicht; ich bin nicht wert, daß du unter mein Dach gehest;

 

Es liegen also direkte Widersprüche im Wort Gottes vor, die sich nicht ohne weiteres entschärfen lassen. Einerseits verlangt die Bibel als Wort Gottes anerkannt zu werden, anderseits bestehen Unstimmigkeiten, die dem widersprechen. Als Lösungsvorschlag halte ich folgende Sicht für vertretbar:

Dem Schriftzeugnis zufolge schrieben diese Menschen, beauftragt und getrieben vom Hl. Geist, was Gott wollte, Gott ihnen eingab. Dies bedeutet, dass die Bibel eine menschliche Komponente und eine göttliche hat. Die Menschen haben die Sprache und die Vorstellungswelt ihrer Zeit mit eingebracht und dadurch sind Unklarheiten entstanden, evtl. hatten sie nicht die volle Erkenntnis der Wahrheit, die erst durch das NT gegeben ist.

Zum Beispiel ist es in der hebräischen Ausdrucksweise kein Unterschied, ob jemand persönlich gekommen ist oder ob er sich durch einen Boten hat vertreten lassen. Dies erklärt die Unstimmigkeit bei den Zebedäusjüngern als auch beim Hauptmann. Auch ist die Stelle aus Prediger in einem Vergleich genannt, wo er die Endlichkeit und kurze Lebenszeit des Menschen vergleicht –hierzu ist die Erde in unserem Sprachgebrauch auch ewig.

 

Bibel muss ihrem Selbstzeugnis gemäß wörtlich und verbindlich genommen werden, nur sind verschieden Aussagen, die zumeist im AT stehen, im Lichte des NT zu sehen und demgemäss zu verstehen, gegebenenfalls auch zu relativieren. Es sind also Kriterien zur Unterscheidung der jeweiligen Fälle anzulegen –wo gilt die Bibel wörtlich –wo übertragen usw.

 

=> Welche Kriterien gelten für die Auslegung der Bibel?

 

 

 

 

 

 

 

3. Kriterien der Bibelauslegung

3.1 Kriterium 1: Die Rangfolge NT-AT

 

Nachfolgende Tabelle soll die unterschiedlichen Standpunkte und Überzeugungen des AT und NT gegenüberstellen. Diese Gegenüberstellung ist nicht allumfassend und ist sehr vereinfacht. Es sind hier nur die hauptsächlichen Aspekte genannt.

 

Merkmal

Altes Testament

Neues Testament

Bezugsadresse

galt für das Volk Israel, hatte keine Verbindlichkeit für andere Völker

gilt für die alle Christen aus Heiden und Juden, Israel

es regelt

das Leben eines Staates und das der einzelnen Bürger in Israel, ist Gesetzbuch

dient als Lebensanweisung für den einzelnen Christen, enthält keine Anweisung für  Staatswesen und öffentliche Ordnung

Gott

Die Vorstellung, eines Gott-Vater-Sohn-Hl.Geist ist im AT direkt nicht vorhanden, nur aus Sicht des NT sind Hinweise erkennbar, Jesus wird als Sohn Davids, als Messias, der Israel wieder herstellt gesehen, Jesus als Opferlamm wird nur in Jesaja sichtbar

Es wird Gott in den 3 Personen offenbart und bezeugt

Prophetie

Gegenstand der Prophetie ist Israel, Heidenvölker werden nur in Zusammenhang mit Israel gesehen, fast keine Angaben zur Gemeinde im neutestamentlichen Sinn, die Prophetie beschränkt sich häufig auf kurz voraus liegende Ereignisse, die Wiederherstellung Israels zum Ende des Zeitalters 

Gegenstand der Prophetie ist  Israel und die Gemeinde, wobei hier sehr große Ähnlichkeiten zum AT vorhanden sind, Die PH befasst sich mit den Ereignissen der Wiederkunft Jesu und der Zeit danach bis zur Vollendung

Gotteserkenntnis

Gott offenbart sich im AT zunehmend, d.h. in den ersten Büchern sind keine vollständigen Informationen über Gott gegeben, es werden aber in Grundzügen wesentliche Elemente gebracht [1]. Es ist also eine Fortschreibung der Kenntnis über Gott und sein Tun festzustellen.

analog dem AT wird in den ersten Büchern nicht alle Lehre offenbart, sondern zunehmend mit den Briefen und zuletzt der Offenbarung, d.h. auch hier ein Fortschreiben und Aufweiten der Offenbarung über Gott und sein Tun und Wollen.

 

Aus dieser obigen Tabelle ist also abzuleiten, dass nicht jede Aussage des AT universell gilt. Aussagen bezüglich Kriegsführung oder der Umgang mit den Gefangenen aus Kriegen im AT können nicht direkt auf die Gemeinde übernommen werden, bestenfalls sind sie übertragen zu nehmen. z.B. Einzug in Kanaan mit Krieg gegen die herrschenden Völker im AT, im NT Kampf des Gläubigen, nachdem er Christ geworden ist und sein Leben Gott unterstellt.

Zum anderen müssen wir die Gotteserkenntnis, allgemein die Erkenntnis über geistliche Wahrheiten beachten.

Markant ist z.B. der Fakt, dass die Gemeinde Gottes aus den Heiden, die ja den Kern des Gottesvolkes im NT stellt, nahezu unerkannt blieb. Würde man diese Erkenntnis, Gemeinde = Israel allein aus dem AT entnehmen, müssten die Heiden erst Juden werden, um dann Christen sein zu können. Gerade diese Ansicht war ein Problem, eine Irrlehre zu Zeiten der Apostel (vgl. Galaterbrief).

 

Die Bibel selbst gibt uns in 1. Kor. 10,11 selbst Anweisung, wie mit dem Alten Testament umzugehen ist:

 

1Kor 10,11       Solches alles widerfuhr jenen zum Vorbilde; es ist aber geschrieben uns zur Warnung, auf welche das Ende der Welt gekommen ist.

 

Ebenso zeigt uns der Hebräerbrief auf, wie viele Parallelen die Stiftshütte der Israeliten auf Jesus Christus hin hat. Auch hier wird übertragen – nicht wörtlich übernommen.

3.2 Kriterium 2: Der Kontext

 

Jede Aussage des Neuen und des Alten Testaments hat ein zeitliches und kulturelles Umfeld. Das Wort Gottes ist von Menschen geschrieben worden, die, von Gott beauftragt, in eine konkrete Situation mit der Sprache ihrer Zeit gesprochen haben. Dies muss nicht bedeuten, dass diese Aussage auf dieses Umfeld beschränkt ist und nur damals galt. Vielmehr enthalten viele Aussagen der Bibel verschiedene Ebenen der Erfüllung und des Bezugs. Diese können und müssen aber immer konform mit den direkt gemachten Aussagen gehen und diese müssen daher zuerst verstanden werden.

Darüber hinaus muss der Textzusammenhang berücksichtigt werden, es dürfen nicht Text- und Gedankenfragmente aus dem Zusammenhang genommen werden, d.h. gegensätzlich zum Inhalt des Gesamtabschnittes interpretiert werden.

3.2.1 Der Umfeldkontext

 

Nahezu alle Aussagen des AT sind an Israel und seine damaligen Zeitgenossen gerichtet. In diesen Stellen des AT wird häufig auf Ereignisse und Bräuche, die der damaligen Zuhörerschaft geläufig waren, bezug genommen. Ein gutes Beispiel ist hier das Buch Ruth, in dem sehr viel über israelitische Bräuche in Bezug auf das Ehelichen einer Witwe eines Verwandten gesagt wurde. Nur die Kenntnis dieser Umgangsformen kann hier den Text zutreffend erläutern.

Generell kann hier durch Zuhilfenahme von Literatur auch außerhalb der Bibel der Kontext gut erklärt werden. Diese Hilfsmittel dürfen aber nicht dazu dienen, den Inhalt bestimmter Textstellen in Frage oder gleich für ungültig oder nicht historisch zu erklären. Gerade die Bibelforschung der letzten 200 Jahre hat gezeigt, dass die Bibel eines der historisch am genauesten belegten Bücher der Antike ist, und vorher für fundiert erklärte Aussagen gegen die Bibel schnell ad acta gelegt wurden.

3.2.2 Der Textkontext

 

Beliebt ist es, einen Text in Verse zu zerschneiden, diese getrennt zu betrachten, Schlüsselworte und Kernsätze davon abzuleiten, und dann diese zu betrachten. Häufig mag diese Textinterpretation wenig Schaden anrichten und man kann solche Textfragmente wie Reiseproviant als leichtverdauliche und aufbauende geistige Nahrung zu sich nehmen, doch führt sie analog zu Mangelerscheinungen und zu Krankheit, sollten wir nicht mehr zu uns nehmen. Gerade Irrlehren und Sekten begründen ihre Überzeugungen mit solch aufbereiteten Bibelversen und Abschnitten.

Die Bibel ist ein Ganzes. Jedes Teil steht in Bezug zu anderen, ergänzt sie, erläutert sie oder öffnet ganz neue Aspekte, die bisher nicht gegeben waren. Auch entwickeln sich Gedanken über viele Kapitel hinweg. Ein gutes Beispiel sind hier die paulinischen Briefe: der Römerbrief entwickelt z.B. vom ersten bis zum 8 Kapitel die gesamte Erlösung des Menschen. Bei einzelnen Kapiteln ohne Blick auf das Ganze stehen zu bleiben, würde zu Interpretationen, die dem Grundgedanken entgegenstehen, führen. Als Beispiel sei hier die Auseinandersetzung des Paulus mit der Gemeinde in Korinth genannt und hier besonderst Kap. 12-14 des 1. Koritherbriefes.  Paulus entwickelt hier der Gemeinde den Grund und den Zweck aller geistlicher Gaben, nämlich dass diese vom Hl. Geist gewirkt und vergeben werden und für den Dienst in und an der Gemeinde gegeben sind („ dass die Gemeinde auferbaut wird“). Diese Zielsetzung drückt er dann im Kap. 14 in der Gegenüberstellung der Gabe der Weisagung und der Zungenrede aus, indem er sagt „wer in Zungen, redet baut sich selbst auf, wer weissagt, erbaut die Gemeinde“. Diese Aussage zu verwenden, die Zungenrede als Selbstauferbauungsgabe zu betrachten, geht schlicht am Gesamtkontext vorbei und kann daher nicht zutreffen. Auch wird in vielen kirchlichen und landeskirchlichen Gemeinden gerne über 1. Kor. 13 gepredigt, jedoch der Gesamtzusammenhang zu den Geistesgaben wird nicht hergestellt. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass nahezu alle Bibelarbeiten zum Thema Zugenrede den Abschnitt aus Kap. 14, V 20-25 nicht behandeln, obwohl doch gerade dieser Abschnitt am Ende der Argumentation des Paulus zu den Geistesgaben steht und danach praktische Anweisungen folgen und demnach die Argumentation beendet ist. Paulus führt als letztes und gewichtigstes Argument eine Schriftstelle aus Jes. 28 an. Wer sich mit diesem Abschnitt intensiv auseinandersetzt, erkennt sehr deutlich, wohin es führt, wenn eine Bibelstelle nicht vollständig behandelt wird.

3.3 Kriterium 3: Die Konformität

 

Der Begriff Konformität steht für Übereinstimmung, Gleichheit, Konstanz und Harmonie. Wenn man in den Meinungen konform ist, heißt dass, es gibt keine Meinungsdifferenzen. Diese Konformität ist auch der Bibel eigen, und dies in zweierlei Hinsicht. Zum einen ist die Bibel konform in ihrer Theologie, es gibt keine Theologie des AT und des NT, keine Theologie des Paulus und die des Jakobus. Zum anderen ist die Bibel konform in ihren Begriffen, ein einmal verwendeter Schlüsselbegriff ändert seine grundlegende Bedeutung nicht. Diese zwei Sachverhalte sollen an Beispielen erläutert werden:

 

Das AT kennt den Begriff der Erlösung bereits seit dem Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies, damals bedeutete dieser Begriff bereits die Hinwegnahme der Sünden gegen Gott und die Wiederherstellung der Gemeinschaft mit Gott. In dem Gesetz Israels (Bücher Moses) wurde die Erlösung , bzw. die Vergebung der Sünden Israels durch Sühneopfer erwirkt. Doch wird diese Bedeutung in den Propheten erweitert und vertieft. Vor allem zeigen die Aussagen über Israel, dass, wenn der Messias kommt, erst dann die volle Erlösung und die Hinwegnahme des sündigen Lebenswandels erfolgt.  Im NT zuletzt wird der Opferritus als Vorgriff und Symbol des Opfertodes Christi erklärt, der sinnbildlich in den Opferriten des AT bereits vollzogen wurde. Christus ist das Lamm, dass unsere Sünden auf sich genommen hat und dadurch die Sünden getilgt hat. Aber auch im NT wird klar, dass die volle Erlösung des Menschen erst bei der Wiederkunft Christi als König und damit die Verwandlung der gläubigen Christen erfolgt.

 

 

Die begriffliche Konformität lässt sich auch gut am Namen Israels erkennen. Israel steht im AT für das Volk, die leibliche Nachkommen dieses Mannes sind, gleichzeitig wird aber - deutlich bei Elia zu sehen - diese Gruppe reduziert, auf die Israeliten, die Gott gehorsam sind. Im NT werden nun vollends alle Heiden und Israeliten, die an Jesus Christus glauben, in dem Begriff Israel vereint, wobei aber nach Rom. 11 die Heiden dem Volke Israel hinzugetan werden. In der Offenbarung findet sich auch wieder der Begriff Israel. Hier wird aber durch den Hinweis auf die Geschlechter (=Abstammung) direkt auf das leibliche Israel bezug genommen und die Heidenchristen durch die „große Schar, welche niemand zählen konnte, aus allen Heiden und Völkern und Sprachen“  erfasst. Viele setzen hier für das Volk Israel nur noch die Heidenvölker ein (siehe Zeugen Jehovas und  Siebten-Tages-Adventisten) und brechen mit der Konformität.

 

3.4 Kriterium 4: Das Maximalprinzip

 

Das Maximalprinzip besagt, dass die Auslegung einer Stelle nur von klaren bzw. umfassenderen Aussagen auf weniger deutliche oder umfassende Stellen erfolgen darf.

So würde bei den Gesetzen, die in unserem Land gelten, niemand bei der Ausarbeitung einer Expertise zu einem Rechtsfall im Steuerrecht bei den Sozialgesetzbüchern beginnen, sondern sich zuerst mit den einschlägigen Gesetzten, die hierfür gelten auseinander setzten und dann in diesem Licht Aussagen aus anderen Gesetzen und Verordnungen heranziehen.

Diese Definition klingt wage und lässt viele Auslegungsarten zu, denn wer bestimmt, was wage und klar ist.  Es soll daher an einem Beispiel erläutert werden:

In Pred. 1.4 heißt es, „ die Erde bleibt aber ewiglich“,  diese Stelle steht in einem Text, der sich mit der Endlichkeit und Begrenztheit des Menschen auseinandersetzt. Bei den Zeugen Jehovas wird diese Stelle zentral verwendet, um zu erklären, dass die Erde nie untergeht, und deutliche Hinweise auf das Zerbersten der Erde und ihre totale Vernichtung werden uminterpretiert. (Vgl. Jes.66,22, Mt. 24,35, 2.Petr. 3,12f usw.)

Taufe: Der indirekte Hinweis, dass in der Apg. das gesamte Haus getauft wurde, wird verwendet, um die Kindertaufe zu rechtfertigen, deutliche Stellen, die eine Willensentscheidung und eine Bekehrung als Voraussetzung bzw. als Vorausereignis bezeugen, werden uminterpretiert oder vernachlässigt.

Entrückung: Viele Auslegungen beginnen  mit Stellen aus der Offenbarung, den Wiederkunftsreden Jesu oder sonst wo. Wenige beschäftigen sich aber eingehend mit dem Schluss des 1. Tessalonikerbriefes und v.a. dem 2. Kapitel des 2. Briefes, wo Paulus sehr deutlich die Ereignisse nennt, die der Wiederkunft Jesu vorausgehen. Statt dessen wird zumeist nur der Vers:

 

2Thes 2,7 „Denn es regt sich bereits das Geheimnis der Bosheit, nur daß, der es jetzt aufhält, muß hinweggetan werden;“

behandelt und hier der Heilige Geist eingesetzt, obwohl der Text keinerlei Anhaltspunkte hierfür bietet.

 

3.5  Kriterium 5: Das Einmaligkeitsprinzip

 

Es gibt Ereignisse und Zustände in der Bibel, die nur einmal bzw. selten vorkommen und von daher nicht verallgemeinert werden dürfen.

Beispiel:

Die Gründung der Gemeinde begann einmal in Jerusalem und breitete sich dann über Judäa und Samarien in die gesamte Welt aus. Schlüsselfigur dieser ersten Zeit war Petrus, dem Jesus die Schlüssel des Himmelreiches gegeben hatte und der demzufolge in Jerusalem, Samarien und später bei Kornelius den Kreis der Gemeinde vergrößerte.

 

In der Anfangszeit der Gemeinde lag das AT nur in den Synagogen und in zumeist unvollständigen Abschriften privat vor. Das NT lag nur in Briefen und diese nur unvollständig vor. Die Verkündigung des Evangeliums und die Abgrenzung gegenüber Irrlehren musste also durch Personen erfolgen, die sich durch besondere Eigenschaften und durch ihre Bekanntheit hervorhoben. Auch wirkte Gott viel direkter in der Gemeinde z.B. durch Bestrafungen, als es heute, die wir das Wort vollständig haben, nötig ist.

Es ist z.B. in der charismatischen Bewegung üblich, die Geistestaufe und das damit verbundene Zungenreden mit Stellen aus der Apostelgeschichte zu belegen. Es wird also der Schluss gezogen, dass

                a) die Geistestaufe eine von der Bekehrung getrennt zu sehendes Ereignis ist

                b) die Zungenrede ein Zeichen der Geistestaufe ist

                c) jeder, der die Geistestaufe erhält, redet als Zeichen dafür in Zungen

 

Die deutliche Stelle in 1.Kor. 12-14, die verneint, dass alle in Zungen reden, wird relativiert, indem nur das Zungenreden in der Gemeinde damit gemeint sein solle. Auch wird hier ein ständiges Wiederholen des Pfingsten erwartet und praktiziert.

 

3.6 Sonstige Kriterien

Die vorgenannten Kriterien sind nicht vollständig. Man kann beispielsweise ergänzen, dass die Bibelstellen ohne besondere Hinweise stets wörtlich zu nehmen sind. Wenn Jesus die paar Brote und Fische nahm und damit 5000 Personen nährte, ist dies auch tatsächlich so zu nehmen. Hingegen sind bei Gleichnissen oder besonders auch in Prophetien viele Bedeutungen übertragen oder bildhaft zu nehmen. Gerade an den Prophetien zeigt sich ein weiteres Kriterium: Die Bibel legt sich selbst aus. So ist die Offenbarung des Johannes nur mit den Visionen und Auslegungen des Buches Daniel zu verstehen.  Auch sollte das Prinzip der Zeugen beachtet werden. Selbst Jesus Christus hat davon in Johannesevangelium deutlich gebrauch gemacht. Es besagt, dass eine Lehraussage sich nie auf eine einzige Stelle sondern auf mehrere Stellen und Aussagen aus verschiedenen Büchern und am besten verschiedenen Verfassern beziehen muss, d.h. ich muss für eine Lehraussage mehrere Zeugen aus der Bibel heranziehen können.

Für die Bibelauslegung ist mir aber am wichtigsten, dass man am besten alle Bücher, Zeitschriften und Predigten zur Seite legt, und die Bibel selbst studiert. Hilfsmittel sollten andere Übersetzungen, Wörterbücher, Karten, Konkordanzen oder ähnliches sein. Gerade durch die vorgefertigten Lehrmeinungen, wie sie z.B. bei den Zeugen Jehovas aber auch in anderen Sonderlehren verbreitet werden, ist ein verständiges Lesen der Bibel kaum möglich. Wer die Bibel durch die Brille des Wachturm ließt, wird nur deren Lehre erkennen. Ebenso ist es auch in allen anderen Gemeinschaften.

 

2.3 Konsequenz für das Bibelstudium

 

Will man das vorhergesagte beherzigen und ausreichend berücksichtigen, muss man in der Bibel forschen, sie kennen und auch das Umfeld eines Textes beleuchten. Dies ist aber aus zeitlichen und auch hinsichtlich der jeweiligen Bildung häufig nicht jedem möglich. Auch hat nicht jeder alleine alle Erkenntnis, kann nicht alle Aspekte eines Textes zu kennen und auch die Querverbindungen herzustellen. Man kann nun dazu übergehen, die vorherrschende Meinung innerhalb einer Gemeinde bzw. Bewegung, die ja zumeist ausreichend mit Bibelversen und durch Veröffentlichungen belegt und erklärt sind, zu übernehmen und gleichlautend zu denken.

Bin ich also bei den Charismatikern, werde ich mich daher um Zungenrede und Geistestaufe bemühen, bin ich Zeuge Jehova, lese ich den Wachturm und stehe an den Straßenecken oder ich praktiziere rein kirchlich alle Stationen von Taufe der Kinder bis zur Beerdigung?

Meines Erachtens bleibt es uns nicht erspart, dass, wenn wir wirklich in der Bibel die Wahrheit finden und diese leben wollen,  wir alles an Lehre und Tradition, in uns und auch das in unserem Umfeld, einer biblischen Prüfung zu unterziehen bei Beachtung aller vorgenannten Kriterien. Dieses Forschen sollte nicht alleine und unter Ausschluss von Kommentaren und Büchern erfolgen. Gerade diese Bücher und Kommentare können unser Wissen um Zusammenhänge und Hintergründe sehr gut bilden und erweitern, doch ist jede Aussage anhand der Bibel zu prüfen und es ist leider festzustellen, dass in den vielen Büchern und Kommentaren vorgenannte Kriterien keinen Niederschlag fanden und daher falsche Lehren vertreten werden.

Dem Grundsatz der Paulus ist daher nichts mehr hinzuzufügen: „ Prüfet alles, das Gute aber behaltet“

 

2.4 Der Hl Geist und das Bibelstudium

 

In der bisherigen Ausführung habe ich kein Wort über die Rolle des Hl. Geistes beim Bibelstudium erwähnt. Dies hat vor allem den Grund, dass ich Kriterien vorn anstellen möchte, die eine Überprüfbarkeit erlauben und jederzeit nachvollziehbar sein sollen. Die meisten Charismatiker und ihre Kritiker sind Christen, die beide den Hl. Geist empfangen haben, beide lesen die selbe Bibel und vertrauen auf das selbe Wort, dass ihnen verspricht, dass der Hl Geist sie in alle Wahrheiten führen wird. Trotzdem sind die Ergebnisse gänzlich verschieden und es ist nicht möglich, eine Basis zu finden. Liegt dies nun am Hl Geist oder uns Menschen?

Studiert man die Geschichte vieler Gruppierungen, muss man feststellen, dass irgendwann Erfahrungen, Meinungen oder einfach Überzeugungen in den Raum gestellt wurden, die nicht mit der Bibel als Ganzen übereinstimmten und dass in der Folge begonnen wurde, die Bibel an diese anzugleichen. Ich meine, dass uns der Hl. Geist die Freiheit lässt, falsche Meinungen zu haben, wenn wir nicht mehr auf ihn hören und sein Wort nicht über alles stellen.

Man kann das Wirken des Heiligen Geistes einem Führer im Moor vergleichen. Ohne einen Führer verirrt man sich im Moor, verliert den festen Boden und weicht vom Weg ab. Zeigt einem der Führer den Weg, geht man nicht irre und erreicht das Ziel. Der Weg ist durch Offenbarung gefunden, jedoch lässt sich die Gangbarkeit des Weges jederzeit beweisen.

Es ist daher unerlässlich, dass unsere Bibelauslegung logisch, in sich und der Gesamtaussage der Bibel stimmig ist. Es nützt nichts, in einer Bibelauslegung an den Glauben der Leser zu appellieren.

 

Dieser kurze und knappe Abriss ist sehr theoretisch. Nachfolgende Bibelarbeiten sollen das gesagte praktisch verdeutlichen.

 



[1] siehe Segen und Fluch für Adam und Eva nach Sündenfall, dort wird bereits der Erlöser angekündigt, auch stellt der Glaube Abrahams und sein Leben darin den Urtypus des neutestamentlichen Glaubens dar.